OLG Frankfurt am Main bestätigt 10.000 € Geldentschädigung für Renate Künast

Bereits Anfang 2020 war der Rechtspopulist Sven Liebich vom Landgericht Frankfurt zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 10.000 € an die Grünen-Politikerin Renate Künast verurteilt worden.

Hintergrund war die Veröffentlichung eines Share-Pics auf dem Blog „Halle Leaks“, das unsere Mandantin Frau Künast zeigte, versehen mit dem Falschzitat: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist der Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt“. Überschrieben war der Post mit der Aussage: „Künast findet Kinderficken ok, solange keine Gewalt im Spiel ist“.

 

Prozesskostenhilfe abgelehnt – Urteil bestätigt

Das Oberlandesgericht Frankfurt lehnte nun per Beschluss einen Prozesskostenhilfeantrag für das Berufungsverfahren des rechtsorientierten Bloggers ab und bestätigte darin das vorangegangene Urteil des Landgerichts.

Das Oberlandesgericht betont, dass eine Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, weil das Landgericht zuvor zutreffend davon ausgegangen war, dass Frau Künast von Herrn Liebich Unterlassung der angegriffenen Darstellung in Text und Bild verlangen kann.

 

Fehlender Kontext und verdecktes Falschzitat

Das OLG stellte dabei – wie auch das LG – darauf ab, dass der durch die Darstellung erweckte Eindruck unzutreffend sei, weil die Klägerin die streitgegenständliche Äußerung so nicht getätigt hat. Die Bildüberschrift ist dabei keine zulässige Meinungsäußerung, weil sie auf dem SharePic und dem dort wiedergegebenen Falschzitat beruht.

Höhe der Geldentschädigung bestätigt

Auch hält das Oberlandesgericht den Geldentschädigungsanspruch in Höhe von 10.000 € für gerechtfertigt. Entscheidend war insoweit, dass der beklagte Blogger Liebich von der Unrichtigkeit des Zitates wusste und Frau Künast daher bewusst in ein höchst nachteiliges Licht gestellt hat. Mithin fehlte jegliche Benennung des Kontextes, in dem die Äußerung vor über 30 Jahren getätigt wurde und ein Hinweis auf Deutungsalternativen. Ebenfalls berücksichtigt wurde die hohe Reichweite des rechten Bloggers sowie der Umstand, dass er die Äußerung nach Erhebung der Klage in diesem Verfahren bei Facebook wiederholt hat.

 

Die gesamte Entscheidung des OLG Frankfurt am Main Az.: 2-09 O 90/19 im Volltext finden Sie hier:

 

“[…] Gründe: 

Der Beklagte beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens zu bewilligen.

Der Beklagte ist durch das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2020 – 2-03 O 90/19 – verurteilt worden, es künftig zu unterlassen, über die Klägerin zu behaupten und /oder zu verbreiten bzw. behaupten oder verbreiten zu lassen „Künast findet Kinderficken ok. solange keine Gewalt im Spiel ist”, ferner durch die Darstellung in einem sog. SharePic den Eindruck zu erwecken, die Unterlassungsgläubigerin habe gesagt; „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist der Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt.” sowie die in dem SharePic enthaltene Bildnisveröffentlichung öffentlich zur Schau zu stellen/stellen zu lassen und/oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen, wenn geschehen wie am 30. Oktober 2016 auf dem Blog „Halle Leaks” unter https7/hloq.halle-leaks.de/2016/10 kuenast-findet-kinderficken-ok-solange-keine-gewal1-im-spiel-ist/. Ferner ist er verurteilt worden, eine Geldentschädigung an die Klägerin in Höhe von 10.000,” € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.822,96 € und 887,03 €, jeweils nebst Zinsen, zu zahlen.

Hintergrund des Rechtsstreits ist eine Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus aus dem Jahre 1986 mit einem Zwischenruf der Klägerin.

Hinsichtlich des genauen Wortlauts des Tenors und des Sachverhalts sowie der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil der Kammer verwiesen. 

Der Beklagte ist der Ansicht, er habe nicht vorsätzlich unwahre Tatsachen zur inneren Einstellung der Klägerin geäußert, sondern eine Meinungsäußerung im Rahmen einer breiten öffentlichen Debatte vorgenommen. Das Landgericht gehe unzutreffend davon aus, dass der Durchschnittsleser zwingend von einer verdeckten Tatsachenbehauptung ausgehe. Entgegen der Ansicht des Landgerichts erstrecke sich der Gesamtkontext gerade auch auf den verlinkten Beitrag. Angesichts des massiven Interesses in der Öffentlichkeit an dem Thema pädophiler Tendenzen bei den Grünen in den 1980er Jahren sei davon auszugehen, dass der Durchschnittsleser an zusätzlichen Informationen interessiert sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass das Landgericht die Äußerung einem Zitat gleichstelle.

Der Beklagte könne sich auch auf das Laienprivileg berufen, da u.a. in Artikeln der „Welt” und der „Epoch Times” vom 24. Mai 2015 (Anlagen B2 und BS) ebenfalls kritische Stellungnahmen zur damaligen Debatte und dem Zwischenruf der Klägerin enthalten seien. Sein eigenes Verständnis vorn Zwischenruf sei daher eine Meinungsäußerung. Das Persönlichkeitsrecht der Klägerin werde nicht verletzt, zumal die Debatte in einem öffentlichen Raum stattgefunden habe. Überdies sei der Anspruch der Klägerin verwirkt. Eine Geldentschädigung sei nicht gerechtfertigt, da es jedenfalls an einem schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin fehle.

Dem Beklagten war die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zu verweigern.

Das von dem Beklagten angestrebte Berufungsverfahren hat keine Aussicht auf Erfolg, §114 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin von dem Beklagten Unterlassung der angegriffenen Darstellung Text und Bild verlangen kann.

Wie bereits im Verfahren 16 U 9/20, das ebenfalls von den jetzigen Klageparteien bezüglich eines entsprechenden Posts des Beklagten bei facebook bestritten wurde, durch Urteil des Senats vom 16.4.2020 (zitiert nach juris) entschieden worden ist, handelt es sich bei der von der Klägerin angegriffenen Darstellung um eine Tatsachenbehauptung und nicht um die Kundgabe einer Meinung, weil der Beklagte durch die Darstellung bei den unbefangenen Lesern den Eindruck erweckt, die Klägerin habe sich dem Inhalt nach eindeutig so geäußert, wie es in dem Text neben ihrem Kopf mit dem zum Sprechen geöffneten Mund wiedergegeben wird.

Die Darstellung beeinträchtigt das durch Art. 1 Abs.1 ,Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Persönlichkeitsrecht der Klägerin da der erweckte Eindruck, die Klägerin habe sich wie angeführt geäußert, unzutreffend ist. Die Klägerin hat die angegriffene Äußerung so nicht getätigt, sondern lediglich die Worte „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist”, benutzt. Das geschah unstreitig in einer Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses im Jahre 1986, als ein Abgeordneter die Zwischenfrage stellte, wie die Rednerin zu einem Beschluss der Grünen in Nordrhein-Westfalen stehe, die Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern solle aufgehoben werden. Daraufhin erfolgte die Äußerung der Klägerin in einem Zwischenruf. Da dieser – wie die Klägerin darlegt – ohne inhaltliche Positionierung lediglich dazu gedient habe, den Inhalt des angesprochenen Beschlusses klarzustellen, zumal es in der Debatte gar nicht um Sex, sondern um Gewalt an Kindern gegangen sei, legt der Beklagte ohne jeden Interpretationsvorbehalt der Klägerin Worte in den Mund, die ein Falschzitat sind, weil mehrere Deutungsvarianten möglich sind. Dabei verstärkt er – worauf der Senat auch in der angegebenen Entscheidung abhebt – die pointierte Zusammenfassung seiner eigenen Sichtweise durch die Äußerung „Ist mal gut jetzt”, wodurch zugleich suggeriert wird, für die Klägerin sei damit das letzte Wort gesprochen und sie wolle sich mit dem Thema nicht mehr weiter auseinandersetzen.

Wegen der verschiedenen Deutungsvarianten ist auch die Überschrift „Künast findet Kinderficken ok, solange keine Gewalt im Spiel ist” keine zulässige Meinungsäußerung, weil sie auf dem SharePic beruht und dem dort wiedergegebenen Falschzitat. 

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte auf das sog. Laienprivileg, wonach sich private Personen auf unwidersprochen gebliebene Veröffentlichungen der Medien berufen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9.10.1991, 1 BvR 1555/88). Im Hinblick auf den Artikel in der „Welt”, auf den sich der Beklagte beruft, ist er nicht geschützt. Denn er fasst die im Artikel aufgestellten Meinungen darüber, wie die Äußerung der Klägerin verstanden werden könnte, überspitzt zusammen und legt sie der Klägerin als Zitat in den Mund. Das aber ist unzulässig, da das Zitat, das als Beleg für Kritik verwendet wird, eine besonders scharfe Waffe im Meinungskampf ist und deshalb der grundrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts auch gegenüber unrichtigen, verfälschten und entstellten Wiedergaben einer Äußerung wirkt (so Urteil des Senats vom 16.4.2020,16 U 9/20, juris, Rdnr. 27).

Zu Recht hat das Landgericht auch die Bildnisveröffentlichung der Klägerin untersagt, weil sich der Beklagte nicht auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG berufen kann. Zwar ist grundsätzlich ein SharePic, das Äußerungen von Politikern wiedergibt, zulässig; vorliegend überwiegen indes bei der vorzunehmenden Abwägung die berechtigten Interessen der abgebildeten Klägerin, da es sich bei der ihr zugeschriebenen Äußerung um ein Falschzitat handelt, wie bereits aufgeführt wurde.

Schließlich hält der Senat mit dem Landgericht auch den Geldentschädigungsanspruch der Klägerin in Höhe von 10.000,- € für gerechtfertigt.

Es handelt sich vorliegend um einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin und der Eingriff kann nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden.

So ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte aus dem “Welt”-Artikel wusste, dass sich die Klägerin nicht so geäußert hat. wie er es dargestellt hat. Die Klägerin hatte, wie der Beklagte nachlesen konnte, geltend gemacht, dass die Äußerung in einem anderen Kontext stand und missverstanden worden sei. Er wusste auch, dass die Klägerin zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie gerade nicht der Auffassung sei, die ihr der Beklagte mit seinem SharePic und der Überschrift in den Mund gelegt hat. Damit hat der Beklagte eine bewusst falsche Darstellung vorgenommen und die Klägerin damit in ein gerade in der heutigen Zeit höchst nachteiliges Licht gestellt. Es kommt hinzu, worauf das Landgericht auch mit Recht abgehoben hat, dass der Beklagte mit seiner Darstellung auch nicht deutlich gemacht hat, dass es sich gar nicht um eine aktuelle Äußerung der Klägerin handelte, sondern der Lebenssachverhalt mehr als 30 Jahre zurückliegt.

Der Hinweis auf die Quelle „welt.de” ist nicht geeignet, den Beklagten zu entlasten, weil der Leser durch das SharePic und die gewählte Überschrift keine Veranlassung sehen dürfte, nach einschränkenden Konkretisierungen zu suchen. 

Schließlich war auch zu berücksichtigen, dass der Blog des Beklagten eine erhebliche Reichweite hat und der Beklagte sogar für eine noch größere Verbreitung der Äußerung gesorgt hat, als er sie nach Erhebung der Klage im vorliegenden Verfahren bei facebook wiederholt hat. Es kommt hinzu, dass der Beklagte den Blog auch zu Werbezwecken genutzt hat.

Der Senat hat dabei auch nicht unberücksichtigt gelassen, dass es sich bei der Klägerin um eine Politikerin handelt, die im öffentlichen Meinungskampf steht und deren Äußerung zu einer insgesamt kritischen Auseinandersetzung im Jahre 2015 führte. Entscheidend ist jedoch – und das unterscheidet diesen Fall vom Verfahren 16 U 60/20, in dem der Klägerin keine Geldentschädigung zugebilligt wurde -, dass im vorliegenden Fall der Beklagte nicht erkennen ließ, dass es sich um über dreißig Jahre zurückliegende Vorgänge handelt, und bewusst kein konkreter Hinweis auf andere Deutungsalternativen erfolgte, sodass die der Klägerin in den Mund gelegte Äußerung und die gewählte Überschrift „Künast findet Kinderficken ok, solange keine Gewalt im Spiel ist” bewusst gewählt worden sind, um die Klägerin erheblich in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. 

Für die Annahme einer Verwirkung sieht der Senat ebenfalls keinen Raum.

Infolgedessen stehen der Klägerin auch die zugesprochenen Nebenforderungen zu.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Frankfurt am Main, 30. November 2021

Oberlandesgericht, 16. Zivilsenat […]” 

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