
Filesharing: Mögliche Ausformung der neuen Faktor-Rechtsprechung des OLG Frankfurt in Bezug auf Computerspiele
von Media Kanzlei
Noch immer werden viele Verfahren wegen Filesharings – dem illegalen Tauschen von urheberrechtlich geschützten Werken, wie Computerspielen oder Filmen über Tauschbörsen wie bittorrent – geführt. Die Rechteinhaber versuchen durch mitunter horrende und nach unserer Ansicht weit überzogenen Schadensersatzforderungen Kapital aus derartigen Fällen zu schlagen. So kann es vorkommen, dass wegen des einmaligen Uploads eines verhältnismäßig alten Computerspiels, der nur wenige Sekunde dauerte, mehr als EUR 5.500.00 vom Rechteinhaber geltend gemacht wird. Die Rechteinhaber – allen voran die Koch Media GmbH, die PC-Spiele, sogenannten „Ego-Shooter“ – möchten sich bei der Berechnung des Schadensersatzes, eine sogenannte „Faktorrechtsprechung“ durchsetzen.
Faktorielle Bezeichnung des Schadensersatzes kann der Einzelfallgerechtigkeit dienen
In mehreren Verfahren vor dem OLG Frankfurt am Main wurde nun darüber entschieden, dass diese faktorielle Berechnung des Schadensersatzes, der in Filesharingfällen nicht anhand eines konkreten Schadens ermittelt werden kann, der Einzelfallgerechtigkeit dienen kann. Allerdings hat das OLG den Rechteinhaber hier im Hinblick auf die Höhe der begehrten Ersatzforderungen einen deutlichen Riegel vorgeschoben und insbesondere bei geringfügigen Verletzungshandlungen den überhöhten Forderungen der Rechteinhaber eine Absage erteilt.
Im Ausgangsfall hielt es das OLG Frankfurt für angemessen, den Schadensersatz bei häufigen und zeitlich umfangreichen Rechtsverletzungen in Form von Downloads, die durch eine größere zweistellige Zahl von Erfassungen dokumentiert sind — unabhängig von deren „Nähe" zur Markteinführung –grundsätzlich mit dem 100-fachen des Marktpreises zu bemessen.
Beispielsrechnung:
Im konkreten Fall – größere zweistellige Zahl von Erfassungen: 38
Marktpreis des Computerspiels: 35 €
Faktor: 100
Höhe des Schadensersatzes: 100 x 35 € = 3.500 €
Andere Rechtsverstöße, die erst nach der o.g. Markteinführungsphase begonnen haben und nicht mit einer so großen Zahl von Erfassungen dokumentiert wurden oder Rechtsverletzungen innerhalb des Markteinführungszeitraums, die nur in Einzelfällen ermittelt werden konnten, sollten dagegen in der Regel zu einem Schadensersatz in Höhe des 50-fachen des Marktpreises führen.
Beispielsrechnung:
Fiktiver Fall – niedrigere zweistellige Zahl von Erfassungen: 20
Marktpreis des Computerspiels: 35 €
Faktor: 50
Höhe des Schadensersatzes: 100 x 35 € = 1.750 €
Damit ist nicht ausgeschlossen, dass in Ausnahmefällen bei sehr geringfügig zu bewertenden Rechtsverletzungen ein noch darunterliegender Multiplikationsfaktor angesetzt werden kann.
Beispielsrechnung:
Fiktiver Fall – geringfügig zu bewertende Zahl von Erfassungen: 4
Marktpreis des Computerspiels: 35 €
Faktor:
Ursprünglicher Faktor gem. Urteil (100) / „größere zweistellige Zahl von Erfassungen“ (38) x geringfügig zu bewertende Zahl von Erfassungen (Hier: 4)
100 / 38 x 4 = 10,5
Höhe des Schadensersatzes: 10,5 x 35 € = 367,50 €
Einen ähnlichen Multiplikationsfaktor und damit eine in etwa gleich hohe Schadensersatzsumme erhält man, wenn eine niedrigere zweistellige Zahl von Erfassungen mit dem Faktor 50 ins Verhältnis setzt. Ausgehend vom Beispielsfall (20 Verletzungen bei einem Faktor von 50) erhalt man bei nur 4 erfassten Verletzungen einen Faktor von 10.
Verletzungen in geringem Ausmaß können auch zu geringeren Schadensersatzbeiträgen führen
Die Rechtsprechung des OLG Frankfurt bietet damit die Möglichkeit, dass Verletzungen in einem sehr geringen Ausmaß auch im Verhältnis zu geringeren Schadensersatzbeträgen führen können als bisher. Ob die Gerichte diese Rechtsprechung beibehalten und in der Konsequenz auch die niedrigen Beträge ausurteilen, bleibt abzuwarten. Die Rechtsprechung sollte bei der Verteidigung gegen Ansprüche von Rechteinhabern aber auf jeden Fall Berücksichtigung finden.
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