
Einschränkung der Kunstfreiheit durch gesperrtes Facebook-Profil
von Media Kanzlei
Unser Mandant ist freiberuflicher Musiker und Mitglied der Band „Kraus“. Zusammen mit der Band hat er eine Weihnachtssingle mit dem bewusst provokanten Titel „Erschlagt die Armen“ herausgebracht. Der Songtext soll die Eigenschaften der Band widerspiegeln, die sich als „lyrisch, bunt und unverschämt, kratzbürstig und unvorhersehbar“ beschreibt.
Für die Realisierung eben dieses Projekts „Erschlagt die Armen“, hat er vom Fonds für Darstellende Künste, der von der Bundesregierung gefördert wird, auch eine offizielle Förderung erhalten.
Auf Facebook unterhält der Mandant zwei Accounts. Dort postet unser Mandant in seiner Eigenschaft als Mitglied seiner Band „Kraus“ Informationen über seine Musik oder Songtexte. So postete er auch den Songtext der Weihnachtssingle „Erschlagt die Armen“.
Daraufhin sperrte Facebook die beiden Facebook-Accounts und löschte den Inhalt des Beitrags. Der Mandant konnte sich daher einen Tag später nicht mehr bei seinen beiden Facebook-Accounts einloggen. Als Begründung nannte Facebook einen Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards.
Satire im Rahmen der Kunstfreiheit
Nach der Sperrung des Songtextes unseres Mandanten hat sich auf seinen Accounts eine rege Diskussion um die Reichweite der Kunstfreiheit entzündet. Dabei wurde die Sperrung durch Facebook durchweg von den Nutzern kritisiert.
Bei dem veröffentlichten Liedtext hat der Musiker versucht, in Form eines selbst geschriebenen und gedichteten Textes auf Probleme der Armut, Obdachlosigkeit und Krankheit in der heutigen Zeit hinzuweisen. Indem er dabei jedoch die genaue Gegenposition einnimmt und diese auf extreme Äußerungen zuspitzt, zeigt der Musiker in Form von Satire die Probleme der heutigen Zeit auf und versucht damit die Menschen umso mehr zum Umdenken zu animieren. Der von unserem Mandanten geschriebene Liedtext unterfällt damit eindeutig dem Kunstbegriff, da er unter die klassischen Gattungsformen des „Dichtens“ bzw. der Satire fällt und seinen Lesern und Zuhörern aufgrund des vielfältigen Aussagegehalts erlaubt, unendlich viele Interpretationsmöglichkeiten zu finden.
Bei dem Beitrag handelte es sich somit um eine von Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Ausübung der Kunstfreiheit. Zweck der Kunstfreiheit ist es gerade, den politischen und gesellschaftlichen Diskurs und die Meinungsbildung zu ermöglichen. Dieser Diskurs ist unbedingte Voraussetzung für das Funktionieren eines demokratischen Rechtsstaats. Durch seinen Betrag hat unser Mandant an dem politischen Diskurs teilgenommen.
Unser Mandant nahm also seine verfassungsrechtlich geschützte Kunstfreiheit wahr. Sämtliche Kommentare und Songtexte bewegen sich im Rahmen der Kunstfreiheit und sind inhaltlich nicht zu beanstanden.
Löschung des Beitrags durch Facebook war rechtswidrig
Die Löschung des Songtextes stellt einen rechtswidrigen Eingriff in die Kunstfreiheit des Musikers dar. Facebook ist als Plattformbetreiber und Vertragspartner des Nutzers an die Schutzpflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB gebunden und hat dabei die Grundrechte der Nutzer zu berücksichtigen. Ein Nutzer darf somit seine Kunstfreiheit auf einer sozialen Plattform ausüben, ohne für diese gesperrt zu werden – Facebook ist schließlich nicht berechtigt, zulässige, grundrechtlich geschützte Liedtexte zu löschen und die Nutzer zu sperren. Das Teilen des Liedtextes auf Facebook unterliegt der von Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Kunstfreiheit des Musikers. Die Sperrung des Kunstwerkes und des Profils war auch nicht auf Grundlage der Nutzungsbedingungen des Plattformbetreibers zulässig, da diese aufgrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte lediglich als Auslegungshilfe dienen (vgl. LG Frankfurt/M Beschluss vom 14.5.2018 – 2-03 O 182/18).
Rechtslage
Durch die Löschungen hat Facebook als Betreiber der Plattform und Vertragspartner unseres Mandanten Schutzpflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB verletzt.
Der Betroffene hat vertragliche und gesetzliche Unterlassungsansprüche gemäß §§ 311, 241 Abs. 2 BGB sowie aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG; Art. 8 EMRK. Das Konto ist dabei in den Zustand zu versetzen, wie es sich vor der Deaktivierung befand, und zwar ohne jegliche Einschränkungen bei den Funktionen bzw. der Reichweite.
Wir haben zunächst eine Abmahnung an Facebook geschickt, auf die wir jedoch keine Reaktion erhielten. Zuvor hatte sich auch unser Mandant selbst schon ohne Erfolg bei Facebook beschwert.
Schließlich haben wir Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Unterlassung und der Sperrung von Nutzerkonten bei dem Landgericht Hamburg gestellt. Unser Antrag hatte Erfolg. Die RichterInnen des Landgerichts Hamburg schlossen sich unseren begründenden Ausführungen an. Zwar dürfe Facebook nach dem Vertrag mit dem Nutzer und ihren darin einbezogenen Gemeinschaftsstandards unter bestimmten Voraussetzungen Inhalte löschen und / oder Accounts (vorübergehend) sperren. Hierbei habe Facebook jedoch - im Wege der mittelbaren Drittwirkung - die Grundrechte des Nutzers zu beachten. Zu diesen Rechten gehört auch die Kunstfreiheit, die von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützt wird. Vorliegend falle der Inhalt unter sämtliche gängigen juristischen Definition des Begriffes der Kunst. (Hinweis: Das Verbot ist nur vorläufig und noch nicht rechtskräftig.)
Wenn auch Sie ein medienrechtliches Anliegen haben, kontaktieren Sie das Team der Media Kanzlei.
Bildquelle:https://pixabay.com/de/illustrations/facebook-maus-cursor-maus-zeiger-76536/
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