
Bahnbrechende Entscheidung vor dem BGH. Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene von Hate Speech bundesweit dank Media Kanzlei gestärkt
von Media Kanzlei
Der BGH hat sich im nunmehr veröffentlichten Beschluss vom 24.09.2019 erstmalig zum Anwendungsbereich des Gestattungsverfahrens des § 14 Abs. 3 TMG geäußert. Die Media Kanzlei hatte das Verfahren bereits vor dem Landgericht und Oberlandesgericht Frankfurt am Main geführt. Beide Instanzen haben den Antrag unserer Mandantin auf Gestattung der Auskunftserteilung gegen Facebook zurückgewiesen. Unserer Ansicht nach waren beide Entscheidungen falsch und rieten unserer Mandantin zur Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof. Der BGH folgte unserer Ansicht und hob die Entscheidung des OLG Frankfurt auf. Damit bestand das Auskunftsverfahren nicht nur bei sozialen Netzwerken, sondern auch im Falle von Äußerungen über andere Plattformen.
Was ist der Hintergrund?
2017 wurde das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (kurz: NetzDG) erlassen. Ziel dieses Gesetzes war es insbesondere Betroffenen von Hass und Hetze im Internet wirksame Rechtschutzmöglichkeiten zu geben. In der Vergangenheit war es schwer für Betroffene gegen anonyme Beleidigungen vorzugehen. Damit man sich fortan gegen die Verletzer zur Wehr setzen kann, hat man auch das Telemediengesetz (kurz: TMG) verändert. In § 14 TMG wurde ein sogenanntes Gestattungsverfahren eingeführt.
Was ist ein Gestattungsverfahren?
Im Gestattungsverfahren hat ein Gericht im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Plattform (z.B. Facebook, Google, Twitter) die Daten von Nutzern der betreffenden Hassposts herausgeben darf oder nicht. Grundsätzlich verweigern die Plattformen die Herausgabe von Nutzerdaten. Grund dafür ist laut den Plattformen der Datenschutz. Selbst bei Beleidigungen, wie sie schwerer kaum sein können, erteilen die großen Plattformen keine Auskunft, sodass die Verletzer nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Der § 14 Abs. 3 TMG soll daher, wie im Urheberrecht, ein einfaches und kostengünstiges Verfahren bieten.
BGH beschließt: alle Diensteanbieter können Beteiligte des Auskunftsverfahrens sein
Aufgrund einer Verweisung innerhalb der Norm nahmen die Gerichte bislang jedoch an, dass dieses Auskunftsverfahren nur bei solchen Äußerungen Anwendung finden kann, die auf sozialen Netzwerken im Sinne des § 1 Abs. 1 NetzDG verbreitet wurden. Das sollte allerdings nicht bei Plattformen mit journalistisch gestalteten Angeboten oder bei Plattformen, die der Individualkommunikation dienen, angewendet werden.
Diese Ansicht vertritt der BGH nicht und stellt klar, dass nicht nur Betreiber von sozialen Netzwerken, sondern viel mehr alle Diensteanbieter Beteiligte des Auskunftsverfahrens sein können:
„Zu Unrecht meint aber das Beschwerdegericht, dass § 14 Abs. 3TMG nur solche Diensteanbieter erfasst, die soziale Netzwerke im Sinne von § 1 Abs.1NetzDG betreiben. Der Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich nicht auf soziale Netzwerke im Sinne des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, sondern gilt für alle Diensteanbieter im Sinne von §2 Nr. 1 TMG. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann der Antrag der Antragstellerin daher nicht zurückgewiesen werden.
(…)
Dies vorausgeschickt, stellt sich die Frage, ob von § 14 Abs. 3 TMG (alle) Diensteanbieter im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG erfasst werden und die Verweisung auf § 1 Abs. 3 NetzDG lediglich die Strafvorschriften konkretisiert, bei deren Verletzung eine datenschutzrechtliche Ermächtigung für die Erfüllung eines etwaigen Auskunftsanspruchs geschaffen wird (...) oder ob - so hat das Beschwerdegericht es gesehen - die Vorschrift deutlich enger dahin auszulegen ist, dass sie sich wegen der in § 1 Abs. 3 NetzDG enthaltenen weiteren Verweisung auf "Inhalte im Sinne des Absatzes 1" nur auf Telemediendiensteanbieter bezieht, die soziale Netzwerke im Sinne des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes betreiben.
Der Senat entscheidet die Frage dahin, dass § 14 Abs. 3 TMG sich auf alle Diensteanbieter im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG bezieht. Der Wortlaut der Vorschrift ist nicht eindeutig, weil die in ihr enthaltene Verweisung sowohl in dem einen als auch in dem anderen Sinne verstanden werden kann. Sinn und Zweck der Vorschrift, die Entstehungsgeschichte und ihre systematische Stellung sprechen indes für eine Auslegung dahin, dass von der Vorschrift alle Diensteanbieter im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG erfasst werden."
Mandantin kann Auskunft von Facebook über Hassnachrichten verlangen
Unsere Mandantin hat im vorliegenden Fall grundsätzlich einen Auskunftsanspruch gegenüber Facebook, selbst wenn es sich um Nachrichten aus der Individualkommunikationskanal „Facebook Messenger“ handelt.
Der BGH vertritt demnach dieselbe Ansicht, wie die Media Kanzlei Frankfurt | Hamburg und hat Betroffenen von Hatespeech neue Rechtschutzmöglichkeiten eröffnet. Denn nun können auch Betroffene unzulässiger Bewertungen auf Bewertungsportalen, von via E-Mail versendeten Hetznachrichten und in vielen weiteren Fällen Auskunftsansprüche gegen die Portalbetreiber – die ohne gerichtlichen Beschluss grundsätzlich keine Auskunft über Nutzerdaten erteilen – durchsetzen. Dies bedeutet, dass die Betroffenenrechte massiv gestärkt wurden und sich Plattformen nun ernsthaft mit Hass und Hetze auseinandersetzen und Auskünfte erteilen müssen.
Die Media Kanzlei hilft Ihnen bei Hate Speech
Sie sind auch Opfer von Hassnachrichten, Hetze oder ähnlichem geworden? Die Media Kanzlei hat sich bereits in unzähligen Verfahren für Betroffenenrechte eingesetzt und ist erfolgreich gegen Hass im Netz vorgegangen. Das Team der Media Kanzlei unterstützt Sie gerne bei der Durchsetzung Ihrer Rechte. Sprechen Sie uns an!
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