
Aktuelles Urteil zum Filesharing – OLG Frankfurt bestätigt Factor-Rechtsprechung
von Media Kanzlei
Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil Ende März die Factor-Rechtsprechung bestätigt und im Ansatz auf Computerspiele ausgeweitet.
Filesharing: Grundsatz zur Berechnung einer angemessenen Lizengebühr
Das OLG Frankfurt führt zur Bemessung einer angemessenen Lizenzgebühr im Rahmen des Schadensersatzes aus:
Die Bemessung der angemessenen Lizenzgebühr orientiert sich an § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG, wonach der dem Nutzungsberechtigten zustehende Ersatzanspruch auch auf Grundlage des Betrages berechnet werden kann, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Dazu muss der objektive Wert der Benutzungsberechtigung ermittelt werden, wobei es unerheblich ist, ob und inwieweit der Verletzer überhaupt bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen.
Wenn es - wie beim Filesharing - keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife gibt, dann muss der objektive Wert der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend Ist, gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls geschätzt werden (BGH, Urteil vom 11.06.2015 - I ZR 19/14, GRUR 2016, 176, Rn 57-Tauschbörse I, vgl. auch BGH, Urteil vom 13.9.2018, I ZR 187/17, GRUR 2019, 292, Rn. 18 - Foto eines Sportwagens).
Filesharing: Factor-Rechtsprechung in Bezug auf Musiktitel
In Fällen des Filesharing von Musiktiteln hat sich in der Rechtsprechung eine höchstrichterlich akzeptierte Bemessung nach Faktoren etabliert (vgl. u.a. Senatsurteil vom 15.07.2014-11 U 115/13 WRP 2014,1232). Der Bundesgerichtshof erkennt es als hinreichende Schätzgrundlage an, wenn der zum Zeltpunkt geltende verkehrsübliche Entgeltsatz (also der Preis für den legalen Download der Datei) mit einem Faktor multipliziert wird, der den möglichen Abrufen durch andere Mitglieder der Tauschbörsen entspricht. Für Musikstücke hat der Bundesgerichtshof die Schätzung eines Faktors von 400 als nicht unangemessen akzeptiert (BGH aaO - Tauschbörse I, Rn 61).
Filesharing: Anwendung der Factor-Rechtsprechung auf Computerspiele?
Eine 1:1 Anwendung der Factor-Rechtsprechung sei laut OLG Frankfurt nicht möglich. Es müsse zwischen den verschiedenen Dateitypen differenziert werden.
Jedoch können unter die Gesichtspunkten Attraktivität und Aktualität des Programmes und die Anzahl und Dauer der ermittelten Verletzungshandlungen können dementsprechend als Parameter für eine Schadensschätzung herangezogen werden, weil sie Anhalts punkte für die Anzahl möglicher Abrufe liefern. Auch wenn damit streng genommen nicht von einem „Faktor" als Ausdruck möglicher Downloads gesprochen werden kann, so wäre es verfehlt, diesen Gesichtspunkten gar keine Bedeutung beizumessen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass der Verkaufspreis der Computerspiele im Anschluss an die ca. 2-3 monatige Markteinführungsphase deutlich abnimmt, weil das Kundeninteresse dann merklich nachlässt. Im Hinblick auf diese im Zeitverlauf eintretende Preisreduktion muss ein längerer Zeitraumzwischen Erstveröffentlichung und Verletzungshandlung nicht zwingend mit einem großen Abschlag verbunden sein, wenn zugleich die lange Dauer und die nachgewiesene Häufigkeit der Verletzungshandlungen den Schadensumfang erhöht haben.
Filesharing: Factor-Rechtsprechung im Fall von Computerspielen
Im vorliegenden Fall hielt es das OLG Frankfurt für angemessen, den Schadensersatz bei häufigen und zeitlich umfangreichen Rechtsverletzungen in Form von Downloads, die durch eine größere zweistellige Zahl von Erfassungen dokumentiert sind — unabhängig von deren „Nähe" zur Markteinführung – grundsätzlich mit dem 100-fachen des Marktpreises zu bemessen.
Andere Rechtsverstöße, die erst nach der o.g. Markteinführungsphase begonnen haben und nicht mit einer so großen Zahl von Erfassungen dokumentiert wurden oder Rechtsverletzungen innerhalb des Markteinführungszeitraums, die nur in Einzelfällen ermittelt werden konnten, sollten dagegen in der Regel zu einem Schadensersatz in Höhe des 50-fachen des Marktpreises führen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass in Ausnahmefällen bei sehr geringfügig zu bewertenden Rechtsverletzungen ein noch darunterliegender Multiplikationsfaktor angesetzt werden kann.
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